Wie vertraut ist dir das Wort "Selfcare"? Selfcare, zu deutsch: Selbstfürsorge, ist derzeit in aller Munde. Social Media läuft über damit. Besonders in Zeiten von Unruhe und Unsicherheit scheinen die Angebote unzählig. Die Einladungen im Leben dazu sind auch vielfältig: "Verwöhn' dich mal wieder" mit dem Bild einer Badewanne plus Kerzenschein, ruft es von den Titelblättern einiger Zeitschriften. "Gönn' dir mal was Schönes - nur für dich!" plus Wellness-Werbung zum Aktionspreis am nächsten Wochenende im nahen Spa heißt es auffordernd auf der Werbefläche an der Tram-Haltestelle. So inspiriert laufen wir los und investieren den einen oder anderen Euro in ein paar Stunden Sauna, ein neues Kosmetikprodukt, ein neues Buch, eine weitere Yoga-Stunde, etc. Klar, davon berichten wir dann auch stolz in unseren Social Media-Kanälen. #selfcare. Soll doch die Welt erfahren, wie ich mich um mich selbst sorge, wenn es mir gerade nicht gut geht. Vielleicht bekomme ich dafür auch einen Daumen nach oben oder ein Herz. Zack, schon geht es mir besser. Doch geht es mir damit wirklich besser?
Unbehagen? Zack, Pflaster drauf!
Was ein Pflaster schafft, wenn es dir nicht gut geht
Wenn es dir nicht gut geht, greifst du zum "Happy Moment"-Duschbad? Lässt sich ins warme Badewasser voll mit orangenem "Glückselixier" gleiten? Liest dabei den neuen Krimi deines Lieblingsautors? Ich bin da selbst durch. Und ja, ich war einkaufen und ja, ich habe für kurze Zeit ein Wohlgefühl gespürt. Lange angehalten hat das Gefühl jedoch nicht. Inzwischen sehe ich derlei Dinge als ein Pflaster, das ich mir auf meine Kratzer und Schürfwunden klebe, wenn mein Weg im Leben mal eben holprig ist. Doch irgendwann fällt es wieder ab. Nicht, dass ich für meine Pflaster nicht dankbar wäre. Tatsächlich weiß ich sie sehr zu schätzen. Dahinter steht schließlich Wohlgefühl. Allerdings haben meine Pflaster selten zur echten Heilung beigetragen. Temporäre Selbstfürsorge also eher.
Warum brauchst du gerade ein Pflaster?
Selbstfürsorge darf mehr sein als nur ein Pflaster
Meine eigene Heilung passierte erst dann, als ich mir die Frage stellte, warum es mir nicht gut geht. Seither gehe ich damit nach innen, denn dort liegt die Wahrheit über mein Unwohlsein. Im Außen habe ich sie nicht gefunden - weder auf den Seiten eines neuen Buches noch auf dem Boden einer neuen Bodylotion. Auch das kurzzeitige Verreisen an schöne Orte hat mich nicht langfristig geheilt. Es war immer der Blick nach innen. Und der Blick nach innen tat hin und wieder richtig weh. Es kam einem mühsamen Besteigen eines Berges gleich. Doch irgendwann kam ich auf dem Gipfel an und schaute in die Weite meines Lebens mit all seinen Möglichkeiten. Auf dem Weg dorthin habe ich stets bemerkt, wie weit ich doch gekommen war. Da lagen plötzlich neue Wege vor mir, die gegangen werden wollen. Das Leben mit all seinen Chancen. Selbstfürsorge bedeutet für mich seit einigen Jahren, meine Bedürfnisse wahrzunehmen und zu ihnen zu stehen. Auszusprechen, was mich bewegt. Nicht immer gelingt mir das ganz leicht. Doch habe ich so das Gefühl, mein eigenes Leben zu führen und nicht das der anderen.
Ein Pflaster ist nicht notwendig
So sorgst du wirklich für dich selbst
Selbstfürsorge meint auch, die eigenen Grenzen zu kennen - und zu achten. Nur so können wir unser Leben so gestalten, dass damit auch Genuss einhergeht. Dass damit auch Abgrenzung, also Nein zu sagen, dazugehört, liegt nah. Sich selbst und seine Bedürfnisse in den Vordergrund zu stellen, ist für mich also echte #selfcare. Und wie findest du konkret in eine nachhaltigere Selbstfürsorge statt den Tipps und Tricks von außen zu folgen? Da habe ich was für dich:
- Schreib' auf, was du in deinem Leben brauchst, damit es dir gut geht. Welche Bedürfnisse davon werden aktuell erfüllt bzw. nicht erfüllt? Was sind die Gründe hierfür? Selbstfürsorge bedeutet, sich aktiv mit seinem Leben auseinanderzusetzen. In welchem Lebensbereich (Job, Familie, Gesundheit etc.) bist du also derzeit (un-)zufrieden?
- Sprich mit deinem Umfeld über deine Bedürfnisse. Ob Partner*in, Freund*in, Kolleg*in, Eltern oder Kinder; überlegt zusammen, was euch glücklich und zufrieden macht und wir ihr euch bei Bedarf unterstützen könnt. Es ist stets an uns, unsere Beziehungen positiv zu gestalten.
- Apropos Unterstützung: Manche Herausforderungen bedürfen professioneller Unterstützung. Gesteh' dir also andere Hilfe ein, wenn du aus eigener Kraft nicht weiterkommst. Erinnere dich immer wieder daran, dass du nicht nur dein eigenes Leben verbesserst, sondern auch das der Menschen um dich herum, wenn du dir die Hilfe holst, die du gerade brauchst.
- Gehe ganz bewusst mit deiner Gesundheit in Kontakt. Wo zwickt es? Wie oft hast du in der vergangenen Woche wirklich durchgeschlafen? Atmest du tief in den Bauch oder eher flach in die Brust? Gerade in unruhigen Zeiten dürfen wir auf uns achten und Raum für Ruhe und Zeit für uns schaffen.
Übrigens: Selbstfürsorge bedeutet nicht etwa, dass du von nun an im Alleingang durchs Leben gehst. Im Gegenteil. Wir alle dürfen lernen, für uns selbst einzustehen und darüber zu sprechen. Somit haben wir die Möglichkeit, von einander zu lernen. Und zwar nicht nur, wie wir Bedürfnisse aussprechen und Grenzen setzen, sondern auch indem wir aufeinander achten. Indem wir zuhören, was unser Gegenüber sagt. So wachsen wir gemeinsam, denn Selbstfürsorge geht uns alle an. In diesem Sinne, was tust du heute noch für dich?
Foto von Denys Nevozhai auf Unsplash