Sag einmal, bist du zu nett?

Alle, Kommunikation, Persönlichkeit | 3. Februar 2022

Eines meiner ersten Sachbücher war “Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse überall hin” von Ute Ehrhardt. Vermutlich sollte das mein Einstieg in die Persönlichkeitsentwicklung werden. Das Buch erschien im Jahr 2000, und ich stelle fest, von böse bin ich auch heute noch weit entfernt. Überall hingekommen bin ich jedoch bisher, in meiner eigenen Interpretation. Gut sein, das ist schon in Ordnung und schon gar nicht muss ich böse werden, um überall hin zu kommen. Das geht auch mit Freundlichkeit und Höflichkeit. Doch das war sicher nicht der Ansatz der Autorin. Sie hatte eher den Fokus auf die Erfüllung der Bedürfnisse einer jeden im Sinn. Und die sind nunmal nicht immer im Sinne aller.

Zurück zum Gutsein: Ist stetes Gutsein auf Dauer auch gut? Ich sage: definitiv nein! Jedem Menschen gegenüber freundlich aufzutreten, Ärger immer wieder runterzuschlucken, jeglichen Frust zur Seite zu schieben, um erst viel zu spät regelrecht zu explodieren, das ist definitiv nicht gut. 

Achtung, Nettigkeitsfalle!

Wie sehr lebst du dein Leben nach deinen Bedürfnissen?

Überleg’ mal, inwieweit erkennst du dich nachfolgend wieder:

  • Konflikten gehst du lieber aus dem Weg?
  • Du wirst häufig um Hilfe gebeten?
  • Was die anderen von dir denken, ist dir sehr wichtig?
  • Deine Meinung und Interessen anderen gegenüber zu vertreten, fällt dir schwer?
  • Du bist immer zur Stelle, wenn andere dich um etwas bitten?
  • Andere Menschen sollen dich akzeptieren und mögen?

Wenn du dies überwiegend mit Ja beantwortet hast, ist die Gefahr groß, dass deine Bedürfnisse öfters auf der Strecke bleiben, weil du in die Nettigkeitsfalle getappt bist. Das kommt natürlich nicht von heute auf morgen. Schon sehr früh in deinem Leben hast du gelernt, dass es gut und sicher für dich ist, wenn du nett und angepasst bist. Ärger, Enttäuschung und Bestrafung galt es zu vermeiden. Also hieß es: bloß keinen Konflikt! Immer schön im Hintergrund bleiben. Je mehr du dieses Verhaltensmuster jedoch angewendet hast, umso mehr hat sich dein Nettsein in deinem Handeln manifestiert. Und damit hast du immer mehr aus dem Blick verloren, was du eigentlich willst und was gut ist für dich. In deiner Vergangenheit war das sicherlich die passende Strategie, um Schlimmeres zu vermeiden. Heute brauchst du diese Strategie nicht mehr. 

Raus aus dem Nettsein-Automatismus

Grenzen setzen geht auch nett Gesagt

Es gibt immer mal wieder Situationen, in denen du es dir erlauben darfst, weniger nett zu reagieren. Und das bedeutet, auch einmal die Bedürfnisse anderer ganz bewusst nicht zu erfüllen, indem du deine Bedürfnisse in den Vordergrund stellst und entsprechend kommunizierst. Das wird anderen unter Umständen nicht gefallen. Ganz sicher finden die selben Menschen dein Verhalten nicht nett, vor allem, wenn sie dich doch bisher ganz anders wahrgenommen haben. Oft reden wir uns dann auch noch selbst ein, dass unser Nicht-nett-Sein auch noch unseren Wert geringer macht. Im Gegenteil: weißt du es selbst nicht wesentlich mehr zu schätzen, wenn sich jemand nach zwei vorangegangenen Absagen mit dir verabredet? Beobachte dich mal, lerne den Automatismus hinter deiner Nettigkeit kennen, und dann traue dich in kleinen Schritten, anders als gewohnt zu reagieren. Probier’ also gern aus, (freundlich) Nein zu sagen, wenn eine Situation es erfordert. Nein zu einer Aufgabe. Nein zu einer Verabredung. Nein zu einem Jobangebot. Und bedenke stets, ein “Vielleicht” zählt nicht, wenn du ganz klar “Nein” meinst.

Lass dein Umfeld auch mal wissen, wenn dich eine bestimmte Aussage oder Handlung geärgert hat. Mach’ dich nicht zum Opfer der Situation, sondern komm’ ins Handeln und sprich über das, was dich beschäftigt. Alles andere kann in endlose Gedankenschleifen führen, die dich auch nicht weiterbringen. 

Achte also auf dich und deine Bedürfnisse, dann ist es auch in Ordnung, hin und wieder nicht nett zu sein. Gut genug bleibst du. Und die Menschen, die dich vorher schon gemocht haben, werden dich immer noch mögen. 

Foto von Tim Mossholder auf Unsplash

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