Selbstoptimierung liegt uns im Blut. Auch wenn wir uns nicht erinnern, so haben wir irgendwann einmal Laufen gelernt. Dafür brauchten wir unzählige Versuche: Aufstehen, Hinfallen, Aufstehen, Hinfallen, Aufstehen…; damit fing alles an. Und irgendwann folgte der erste, noch unsichere Schritt nach vorn, dann der zweite usw. Ich weiß noch, wie meine Tochter das erste Mal ihre ersten Schritte hintereinander machte. Es war in einem dieser damals noch unzähligen Spiele-Cafés in Berlin-Prenzlauer Berg. Sie stand und hielt sich an irgendetwas fest, schaute in Richtung eines bestimmten Spielzeuges, an das ich mich nicht erinnern kann, und tapste plötzlich los. Ich erwischte mich dabei, wie ich die Luft anhielt und dem Impuls widerstand, zu ihr zu springen und sie beschützend festzuhalten. Meine Tochter lief also ihre ersten Schritte – es waren sicher nicht mehr als zwei –, plumpste dann auf ihren gepolsterten Hintern und war sich ganz bestimmt nicht darüber im Klaren, was sie da gerade gelernt hatte. So oder auf eine andere Art habe auch ich Laufen gelernt und kann heute mehr als zwei Schritte aufrecht laufen. Irgendwann lief ich auch rückwärts, dann kamen Schuhe in unterschiedlichster Absatzhöhe als neue Herausforderung dazu. Wenn ich wollte, könnte ich hier sicher auch noch wachsen; das Laufen auf sieben Zentimeter hohen Absätzen fällt mir schließlich immer noch etwas schwer.
Schritt für Schritt ist pure Übungszeit
Zeit und Übung lässt uns besser werden
Du siehst also, mit etwas Übung können wir in allem, was wir tun, über die Zeit besser und besser werden. Wachstum über unsere eigenen Grenzen hinaus. Selbstoptimierung gehört damit zu uns, ob wir nun wollen oder nicht. Ich erlebe jedoch immer wieder Menschen, denen das zu wenig zu sein scheint. „Höher, schneller, weiter“ – kurz: besser (werden) – ist Programm. Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, in der ganz schnell der Blick auf unsere Schwächen gelenkt wird. Medien gaukeln uns zudem vor, dünner seien wir attraktiver. Werbung vermittelt uns, mit Make-up seien wir hübscher. Werbung umgibt uns Tag für Tag. Doch sie kommen von außen. Machen wir uns nichts vor, wir werden niemals fertig. Wir können jeden Tag besser besser. Ob mit oder ohne Einfluss von außen. Vielleicht laufe ich in 10 Jahren in High Heels von sieben Zentimetern Absatz über jedes Straßenpflaster, jedoch geht high hier ganz bestimmt auch higher. Doch werde ich damit auch in irgendeiner Form besser?
Lebst du schon die "beste Version deines Selbst"?
Worum es wirklich im Leben geht
Einschlägig wird immer wieder damit geworben, zur „besten Version deines Selbst“ zu werden. Und Persönlichkeitsentwicklung ist toll, aber heißt es nicht auch genauso oft, dass wir „gut genug“ seien? Habe ich da was falsch verstanden? Nichts gegen Ziele, mit dem ständigen Drang nach Selbstoptimierung lassen wir jedoch nicht zuletzt durch aufkommende Selbstzweifel unser Vertrauen in uns selbst schrumpfen. Wir setzen uns mehr und mehr unter Druck, dem wir irgendwann nicht mehr standhalten können. Meist endet dies dann in Krankheit oder psychischen Problemen. Dabei geht es doch im Leben darum, den eigenen Weg zu finden, nicht den schnellsten oder kürzesten – oder gar den vermeintlich besseren Weg anderer. Warum sollte ich dafür auf etwas schauen, was ich nicht habe? Stattdessen richte ich meinen Blick auf das, was schon da ist. Fülle statt Mangel sollte die Devise sein, und streben wir nicht alle nach einem erfüllten Leben?
In dem, was ich habe und mache, kann ich sicherlich noch besser werden, übertreiben muss ich es nun wahrlich nicht. Ich frage mich heute auch mehr nach dem Grund des dahinter liegenden Bedürfnisses zur gewünschten Verbesserung. Liegt der Grund im Außen, horche ich innerlich auf. Ein Beispiel: Ich möchte mich gesünder ernähren, weil ich damit meinem Körper etwas Gutes tue. Ich fühle mich energiegeladener, schlafe besser und bin konzentrierter. All das sind Gründe, die für meine Zufriedenheit stehen. Mir geht es also nicht maßgeblich darum, einen schlankeren Körper zu bekommen, um attraktiver auf Job- oder Partnersuche zu gehen.
Du siehst, manchmal ist es besser, das eigene Leben mit mehr Lockerheit anzugehen und sich so zu sehen, wie man ist. Das macht das Leben leichter!
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